Jürgen Wittdorf (1932 - 2018)
Vom 11. Mai bis 13. August 2023
Ausstellung: Jürgen Wittdorf. Holzschnitte, Linotschnitte, Zeichnungen

Plakat zur Ausstellung. Entwurf: mms
weitere Informationen: sammlung-juergen-wittdorf.de

Das Bild "Noch kein Bartwuchs und schon Vater" fertigte Jürgen Wittdorf 1963 an. Es ist Teil der Ausstellung im Ziegelhof Zehdenick.
Gerade ist eine beeindruckende Ausstellung mit mehr als 200 Arbeiten - Bilder und Keramiken - des Künstlers Jürgen Wittdorf im Berliner Schloss Biesdorf zu Ende gegangen, da kündigt der Zehdenicker Ziegelhof quasi eine kleine Fortsetzung an. Im inzwischen 60. Jahr nach Erscheinen seiner wohl bekanntesten Arbeiten, dem Zyklus "Für die Jugend", einer Mappe mit Kunstdrucken aus dem Jahr 1963, werden ab dem 11. Mai 2023 einige dieser und zahlreiche weitere Holzschnitte, Linolschnitte und Zeichnungen zu sehen und zum Teil auch zu erwerben sein.
Jürgen Wittdorf wurde 1932 in Karlsruhe geboren. Vater Versicherungsdirektor, Großvater Professor an der Dresdener Kunstgewerbeschule. Schulzeit in Königsberg. Flucht nach Stollberg im Erzgebirge und entbehrungsreiche erste Jahre nach dem Krieg. 1952 bis 1957 Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. 1957 wurde er Mitglied im Verband Bildender Künstler der DDR (VBK). Von 1959 bis 1964 Assistent am Institut für Kunsterziehung der Karl-Marx-Universität in Leipzig tätig.
Der Künstler wurde vor allem durch seine zum Teil großformatigen Holzschnitte bekannt. 1959 entstand der großformatige Holzschnitt „Adam und Eva“, zwei Jahre später der „Zyklus für die Jugend“ (1963 als Kunstmappe beim Verlag Junge Welt). Jugendliche in Jeans und Lederjacke, „Halbstarke“ und knapp bekleidete Mädchen und frontale Nacktheit waren nicht im Sinn der Kulturfunktionäre und wurden als „Verwestlichung“ stigmatisiert. Die Kritiker lenkten ein, als sie die positive Resonanz in der Jugend gewahr wurden.
Zusammen mit Walter Womacka, Armin Münch, Werner Schinko und anderen jungen DDR-Künstlern wurden Wittdorfs Arbeiten in Moskau ausgestellt. 1964 bezieht Jürgen Wittdorf, neben der Stadtwohnung, ein Fachwerkhaus in Carwitz. Er sanierte es und verbrachte dort viele Sommer. 1970 folgte der Umzug von Leipzig nach Ost-Berlin, seit 1967 hatte Wittdorf regelmäßig Zeit in Berlin verbracht. An die Akademie der Künste in Ost-Berlin war er von 1967 bis 1969 Meisterschüler bei Lea Grundig. In Berlin arbeitet Wittdorf freischaffend und hat regelmäßig Ausstellungen. Zeitgleich arbeitet er als Zeichenlehrer im Haus der Jungen Talente (HdjT) und im Haus des Lehrers bis 1991. Die Institute wurden geschlossen, der Künstler war plötzlich, wie so viele Künstler aus der DDR, auf staatliche Unterstützung angewiesen.
Die Kunst von Jürgen Wittdorf erfährt in den folgenden Jahren wenig Wertschätzung. 2004 widmet das Schwule Museum Jürgen Wittdorf eine erste Ausstellung, wodurch seine Wiederentdeckung eingeleitet wird. 2012 folgte im Schwulen Museum zum 80. Geburtstag von Jürgen Wittdorf eine zweite Ausstellung, die ihn als „Chronist des DDR-Alltags“ zeigte. Wittdorf lebte von Sozialhilfe und verliert 2007 seinen Partner, mit dem er 25 Jahre verbracht hat. „Durchs Leben gezeichnet“ war 2013 der Titel seiner letzten Ausstellung im Museum Lichtenberg. Mit zunehmender Altersdemenz konnte Wittdorf seine Wohnung, in der er inmitten seiner Kunst lebte, kaum noch verlassen. Am 2. Dezember 2018 verstarb Jürgen Wittdorf im Alter von 86 Jahren.
100 Meisterwerke aus dem Nachlass des Malers und Grafikers zeigte 2020 der Kunstverein Ost KVOST in der Leipziger Straße, 2022/23 folgte eine beeindruckende Werkschau im Schloss Biesdorf anlässlich seines neunzigsten Geburtstages. Den Werken Wittdorfs werden in der Ausstellung aktuelle Positionen von Veneta Androva, Norbert Bisky, Harry Hachmeister und Bettina Semmer gegenübergestellt.
Wir danken der Studiogalerie Berlin, insbesondere Jan Linkersdorff, schon hier, dass wir einen Teil des Werkes von Jürgen Wittdorf im Sommer 2023 im Ziegelhof präsentieren dürfen.